Passengers – Schlaflos im Weltall

Man stelle sich vor: Die Prinzessin ist in einen 100 Jahre währenden Tiefschlaf gefallen – und mit ihr der ganze Hofstaat. Da kommt ein Prinz daher und weckt die schlafende Schöne – gegen ihren Willen und weit vor ihrer Zeit.

Es ist kein Zufall, dass die weibliche Hauptfigur von „Passengers“ (2016) Aurora heißt – wie Disneys Sleeping Beauty in dem Trickfilm-Klassiker „Dornröschen“ (1959). Das Science-Fiction-Drama von Regisseur Morten Tyldum orientiert sich lose an der Grimmschen Vorlage. Zudem finden sich Parallelen zu Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ und der Hollywood-Schmonzette „Titanic“. Schon 2007 war das Script von Jon Spaihts ein Geheimtipp. Jahrelang leckten sich Filmemacher die Finger danach. Es galt als eines der besten unverfilmten Drehbücher. Das ließ Großes erwarten, barg aber auch die Gefahr, dass das Ganze grandios in die Hose geht.

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Chris Pratt und Jennifer Lawrence in Passengers.      Foto: Sony

Zur Handlung: Der Sternenkreuzer Avalon ist auf dem Weg zur weit entfernten Kolonie Homestead II. An Bord: 5000 Passagiere und etliche Crewmitglieder. Sie alle befinden sich in einem künstlichen Tiefschlaf – ein Frischhalte-Koma, das sie nicht altern lässt. Denn die Reise zum neuen Heimatplaneten dauert 120 Jahre. Erst kurz vor der Ankunft sollen die Passagiere geweckt werden. So weit die Theorie. Wie der Zufall will, erwacht der Passagier Jim Preston (Chris Pratt) durch eine technische Panne ganze 90 Jahre zu früh. Und er kann nicht wieder einschlafen. Jim ist mutterseelenallein auf dem Galaxiendampfer. Seine einzige Gesellschaft ist der kellnernde Android Arthur (Michael Sheen). Um nicht an seiner Einsamkeit zu verzweifeln, weckt er die junge Aurora (Jennifer Lawrence). Die ahnt nicht, dass es Jim war, der ihr die Chance auf ein Leben in der Kolonie genommen hat, und verliebt sich in ihn. Doch Jim plagt das schlechte Gewissen. Und das marode Schiff steuert auf eine Katastrophe zu.

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Zuerst ein Himmel voller Geigen, dann der erste Krach: Chris Pratt und Jennifer Lawrence in „Passengers“.     Foto: Sony

Klingt erst einmal vielversprechend: die Isolation, Jims Verzweiflungstat, Liebe, die in Hass umschlägt – alles 1a-Zutaten für ein packendes Kammerspiel. Doch der Film scheitert an seinem eigenen Anspruch. Für eine Konstellation wie diese braucht es Schauspieler, die ihr Handwerk verstehen. Deshalb ist es unverständlich, weshalb die Wahl ausgerechnet auf Chris Pratt gefallen ist. Er mag nett aussehen, ein prima Komödiant sein, sich gut im Sattel bewegen und mit imaginären Dinosauriern und Waschbären agieren können. In „Passengers“ ist er jedoch schlichtweg überfordert. Ob mit Tränchen im Auge oder mit hängenden Mundwinkeln – man kauft ihm die Verzweiflung nicht ab. Er sieht aus wie Chris Pratt als Mechaniker verkleidet, dem man gesagt hat: „Und jetzt guck mal ganz traurig, Chris.“ Jennifer Lawrence‘ Darstellung wirkt dagegen seltsam übertrieben – wohl, weil ihr der routinierte Gegenpart fehlt. Als Zuschauer bleibt man distanziert, das Schicksal der beiden Liebenden berührt nicht. Lediglich Michael Sheen überzeugt. Sein Arthur agiert hölzern – wie es sich für einen humanoiden Roboter gehört.

Und dann geht es Schlag auf Schlag, es wird plötzlich spannend. Im letzten Drittel wandelt sich das verhältnismäßig ruhig erzählte Liebesdrama  zum Actionkracher, weil der fliegende Bunker zu explodieren droht. Das Leben der arglos schlummernden Passagiere liegt in den Händen von Chris Pratt. Oh je? Nein, keine Sorge: Action kann er. So hält er sogar einem Reaktor stand, der ganze Meteoriden zu schmelzen vermag. Lediglich ein Stückchen Blech schützt den wackeren Jim. Ein Teufelskerl! Und auch seine Aurora hat es drauf. Sie zerrt ihn zurück ins Raumschiff, als er leblos im All treibt, lässt ihn nicht einfach untergehen – wie die Kate den Leo.

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Zum Glück kann sie schwimmen: Jennifer Lawrence in „Passengers“.      Foto: Sony

Am Ende bleiben viele Fragen offen: Wieso kann der technisch begabte Jim die Schlafkammer nicht reparieren, nachdem es ihm sogar gelungen ist, ein durchlöchertes Raumschiff wieder in Gang zu setzen? Warum gibt es nur einen einzigen Autodoc – eine Art automatischer Hightech-Operationssaal – auf einem Schiff mit über 5000 Passagieren? Ist Aurora von Natur aus platinblond? Oder warum ist bei ihr im Laufe der Zeit kein dunkler Haaransatz zu sehen? Und wieso lässt ein so viel versprechendes Drehbuch den Zuschauer enttäuscht zurück?

Zur Ehrenrettung des Films sei jedoch gesagt – die Handlung fesselt durchaus. Vor allem optisch hat „Passengers“ einiges zu bieten. In Erinnerung bleibt die Szene, in der Aurora fast ertrinkt, als das Wasser im Pool plötzlich seine Schwerkraft verliert. Und der Film ist  tausendmal besser als „Independence Day: Wiederkehr“.

Aber vielleicht seht ihr das ganz anders. Hat euch der Film umgehauen? Schreibt es mir.

Passengers (USA, 2016)
117 Minuten
Darsteller: Chris Pratt, Jennifer Lawrence, Michael Sheen, Lawrence Fishburne
Regie: Morten Tyldum
Kamera: Rodrigo Prieto
Schnitt: Maryann Brandon
Musik: Thomas Newman
Drehbuch: Jon Spaihts
Produktion: Stephen Hamel, Michael Maher, Ori Marmur, Neal H. Moritz

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16 Gedanken zu “Passengers – Schlaflos im Weltall

  1. Verrätst du nicht ein bisschen viel von der Geschichte, oder ist deine Seite generell eher für diejenigen gedacht, die den Film zur Kritik bereit gesehen haben?
    Wobei es bei Passengers zugegeben auch schwer ist, sich zurückzuhalten, da vieles mit der Story steht und fällt. Keine Sorge, bin kein Spoiler-Fetischist, aber andererseits lese ich dieses Jahr auch keine Kritiken mehr vor dem Filmgenuss.

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  2. Hi
    sehr gute Kritik auch wenn du etwas zu viel spolierst, was natürlich teils verständlich ist. Ich konnte dem Film mehr abgewinnen da er die Isolation sehr gut umsetzt und da Schiff schaut toll aus und die Szenen wo die Gravitation einsetzt mit dem Pool war auch grandios. Das Ende war sehr mies.
    Gruß

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  3. Sehr guter Beitrag!! Ich fand den Film im Gegensatz zu dir sehr berührend und die Emotionen gut rübergebracht, aber das ist einfach Ansichtssache. Ich folge dir direkt mal 🙂
    Anna xx

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  4. Pingback: Kritik: Passengers – filmexe

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  6. Ich fand den Film leider doof, dabei war ich so gespannt, nachdem ich den Trailer gesehen hatte. Da habe ich wohl zu viel erwartet und wurde enttäuscht :-/ Ich hatte gedacht, dass es noch irgendein spannendes Geheimnis gibt, aber im Grunde sieht man ja schon in den ersten fünf Minuten, dass das Schiff angeditscht wird und deswegen die Schlafkammer kaputt geht. Chris Pratt fand ich jetzt nicht so schlimm, aber stimmt schon, Action und Komödie liegen ihm besser als Drama. Die Liebesgeschichte hat mich richtig genervt und das Ende fand ich derbe kitschig. Während ich bei Titanic in Tränen aufgelöst war, obwohl ich Leo damals nicht ausstehen konnte, war ich bei diesem Film einfach nur angepisst, dass der Schluss sich so komplett überraschungsfrei in Wohlgefallen auflöste.

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