120 Jahre Kino – Happy Birthday

Die wenigsten können von sich behaupten, am 28. Dezember 1895 in Paris gewesen zu sein. Genauer gesagt im Salon Indien des Grand Cafés. Was also haben wir verpasst? Die Brüder Louis Jean und Auguste Lumiere hatten das Lokal am Boulevard des Capucines angemietet, um ihre Erfindung, den Cinematographen, und einige selbstgedrehte Filme vor einem zahlenden Publikum zu präsentieren. Das Ticket kostete einen Franc. Diese Vorstellung vor genau 120 Jahren ist nicht nur als  erste öffentliche Filmvorführung Frankreichs in die Geschichte eingegangen, sondern vor allem als Geburtsstunde des Kinos.

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Poster Cinematographe Lumiere.  Foto: gemeinfrei

Von der Laterna Magica zu den laufenden Bildern

Es war nicht das erste Mal, dass die Brüder Lumiere ihren Cinematographen zeigten. So hatten sie ihre vielversprechende Apparatur bereits Monate vorher während eines mehrtägigen Kongresses der französischen Fotografenvereinigung vorgestellt. Auch waren die Lumieres nicht die ersten, die Filme vorführten. Tatsächlich arbeiteten in jenen Tagen Wissenschaftler in aller Welt parallel an einer Möglichkeit, die Bilder laufen zu lassen.

Ausgangspunkt war die Laterna Magica im 17. Jahrhundert, mit der man Bilder an eine Wand projizieren konnte, und die Erfindung der Fotografie um 1826. Stroboskop, Stereoskop und Panoptikum folgten und wurde im 19. Jahrhundert zu Jahrmarkt-Attraktionen.

Die ersten bewegten Bilder gelangen dem Briten Eadweard Muybridge mit seinen Serienfotografien eines galoppierenden Pferdes. In den USA stellte Thomas Alva Edison im Jahr 1891 seinen Aufzeichnungsapparat Kinetograph und sein Projektionsgerät Kinetoskop vor. Am 1. November 1895 präsentierten die Brüder Skladanowsky mit ihrem Bioskop neun Kurzfilme im Rahmen eines Varieté-Programms im Berliner Wintergarten. Dennoch war es die Erfindung der Brüder Lumiere, die sich letztlich durchsetzen sollte.

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Louis Jean und August Lumiere.  Foto: gemeinfrei

Louis Jean und Auguste Lumiere hatten einen Apparat entwickelt, der Aufnahme-, Kopier- und Abspielgerät in einem war – zu dem Zeitpunkt ein einmaliger Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Dazu kam, dass die Fabrikantensöhne nicht nur über reichlich Geld, sondern auch über Kontakte in die Wirtschaftsbranche verfügten, die ihnen ermöglichten, ihr Patent zu vermarkten.

Die Geburtsstunde des Kinos

Gerade einmal 33 Neugierige wohnten der ersten öffentlichen Vorstellung der Lumieres am 28. Dezember 1895 bei. Gezeigt wurden zehn Filme, darunter „Der begossene Gärtner“ (L’Arroseur arrosé) und die inzwischen legendäre „Ankunft eines Zuges im Bahnhof La Ciotat“ ( L’arrivée d’un train en gare La Ciotat). Keiner der Filme war länger als ein paar Minuten. Sie bildeten die Realität ab, dokumentierten alltägliche Ereignisse. Doch das Publikum war begeistert. Die neue Attraktion sprach sich in Paris herum. Schon bald waren die Sitzplätze im Salon Indien des Grand Cafés heiß begehrt. Nicht nur in Frankreich wollten die Menschen die bewegten Fotografien der Lumieres sehen. Der Cinematographe eroberte die Welt.  Und der Rest ist Geschichte – Kinogeschichte.

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Beliebtester Weihnachtsfilm: And the winner is …

Welcher Film lässt eure Herzen in der Weihnachtszeit höher schlagen? Ihr habt entschieden. Neun Filme standen zur Auswahl (mehr dazu hier), und zum Ende hin wurde es noch einmal richtig spannend. Tagelang lag ein Film deutlich in Führung, wurde dann aber auf den letzten Metern eingeholt. Deshalb teilen sich zwei Filme das Siegertreppchen: „Tatsächlich … Liebe“ und „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Beide erreichten jeweils 24 Prozent der Stimmen. Mit 18 Prozent hat sich „Der kleine Lord“ den zweiten Platz erkämpft. Bronze geht an den Klassiker „Wir sind keine Engel“ (12 Prozent). Hat euch dieses Ergebnis überrascht?

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Weihnachtsfilme versüßen die Adventszeit. Foto: Ivonne Sielaff

Etwas abgeschlagen dahinter liegen „Ist das Leben nicht schön?“, „Charles Dickens Weihnachtsgeschichte“, „Der Grinch“ und „Eine schöne Bescherung“. Schlusslicht ist „Stirb langsam“. Bruce Willis erhielt von euch keine einzige Stimme. Ich frag mich warum. Dabei haben der Letztplatzierte und „Tatsächlich … Liebe“ sogar eine Gemeinsamkeit. In beiden Filmen ist der britische Schauspieler Alan Rickman zu sehen. Einmal als Terrorist und einmal als Familienvater, der in Versuchung gerät. Ihr seid eben doch alle Romantiker 🙂

Bleibt noch offen, für welchen Film ich gestimmt habe. Für meinen Favoriten sprechen gleich drei sehr gute Gründe: Humphrey Bogart, Peter Ustinov und Aldo Ray als Schwerverbrecher mit Herz. „Wir sind keine Engel“ ist mein liebster Weihnachtsfilm.

Danke für eure Stimmen und  Kommentare. Franziska-t weist auf „Vier Könige“ hin, „der beste Anti-Weihnachtsfilm, den ich kenne“, schreibt sie (ihre Rezension auf Filmkompass). Für Maik gehören „Der Polarexpress“ und „Kevin allein zu Haus“ zum Fest dazu. „Vom Spaßfaktor kommt man an den Griswolds eh nicht vorbei, wobei Bill Murray in der Weihnachtsgeschichte auch echt lustig ist, ich sag nur ‚Tackern Sie das Geweih einfach an!'“, schreibt Maik. Sein Favorit ist „Der kleine Lord“. Verena ergänzt noch „Und täglich grüßt das Murmeltier“ und „Die zwölf Monate“.

Weihnachtsfilme versüßen uns zwar die Adventszeit. Aber wenn ich euch einen Tipp geben darf: Verliert nicht aus den Augen, was wirklich zählt. Genießt die gemeinsame Zeit mit euren Lieben. Sie ist kostbarer als alle Weihnachfilme und Geschenke auf der Welt. Frohes Fest!

Übrigens: Eine schöne Übersicht über alle Weihnachtsfilme bietet Martin Böhnisch auf seiner Website.

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Stimmt ab! Der schönste Weihnachtsfilm

Ho, ho, ho! Alle Jahre wieder zwängt sich der weißbärtige Alte im roten Mantel durch den Kamin. Ob wir einen haben oder nicht. Mit im Gepäck hat er nicht nur etliche Geschenke, sondern jedes Mal auch eine Fülle an Weihnachtsfilmen, um uns die Adventszeit zu versüßen.

Stimmt ab! Welches sind eure Lieblingsweihnachtsfilme? Herzige Komödien, Märchen oder doch eher das allweihnachtliche Kontrastprogramm? Ich habe einige Filme für euch zusammengefasst. Viel Spaß beim Lesen.

„Ist das Leben nicht schön?“ (USA, 1946)

Zitat: „Immer wenn ein Glöckchen klingelt, bekommt ein Engel seine Flügel.“
George Bailey (James Stewart) ist ein guter Kerl, doch den Familienvater hat der Lebensmut verlassen. Ausgerechnet am Weihnachtsabend beschließt er, sich umzubringen. Er hat seine Rechnung aber ohne den zweitklassigen Engel Clarence gemacht, der ihn zu retten versucht. Clarence zeigt dem Verzweifelten, wie es seiner Familie und seinen Freunde ergangen wäre, hätte es ihn nicht gegeben. George muss erkennen, dass sein Leben durchaus einen Sinn hat und dass es sich lohnt weiterzuleben. Pünktlich zum Weihnachtsfest kehrt er zu seiner Familie zurück. Engel Clarence wird für seinen Einsatz befördert und erhält seine langersehnten Flügel.

„Wir sind keine Engel“ (USA, 1955)

Zitat: „Am liebsten sind mir ja die Mörder, die sind immer so höflich.“
Kurz vor Weihnachten flüchten drei Schwerverbrecher (Humphrey Bogart, Peter Ustinov, Aldo Ray) aus dem Gefängnis. Sie nisten sich bei Familie Ducotel ein. Die arglosen Gastgeber stecken in Schwierigkeiten. Sie haben Geldsorgen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, ist Tochter Isabelle auch noch unglücklich verliebt. Angesteckt vom Zauber der Weihnacht und von der Freundlichkeit der Familie Ducotel beschließen die drei Sträflinge zu helfen … auf ihre Weise. Welche Rolle die Giftschlange Adolf dabei spielt und warum das Trio am Ende freiwillig ins Gefängnis zurückkehrt, sei hier nicht verraten. Es soll Leute geben, die den Film noch nicht gesehen haben.

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (CSSR, DDR, 1973)

Zitat: „Guck mal, guck mal … äh … Hoheit.“
Ohne diesen Film gibt es keine Bescherung. Dabei handelt es sich bei „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ nicht mal um einen klassischen Weihnachtsfilm – eher um einen Winterfilm. Macht aber nichts. Denn auch nach über 40 Jahren fasziniert dieses Märchen die Menschen. Aschenbrödel (Libuse Safrankova) ist alles andere als ein Mäuschen, das darauf wartet von einem Prinzen erobert zu werden. Sie reitet, klettert jagt – und sie hat drei Zaubernüsse, die ihr in der passenden Gelegenheit den perfekten Auftritt verschaffen. Als Jäger, als tanzende Prinzessin und schließlich als Braut. Kein Wunder, dass sie dem Prinzen nicht mehr aus dem Kopf geht. Uns auch nicht.

weihnachtenKeine Weihnacht ohne Weihnachtsfilme im TV. Foto: Ivonne Sielaff

„Der kleine Lord“ (GB, 1980)

Zitat: „Jeder Mensch sollte mit seinem Leben die Welt ein ganz klein wenig besser machen.“
Dieser Film gehört zu Weihnachten wie Gans und Geschenke. Wem geht nicht das Herz auf, wenn der kleine Ceddie (Ricky Schroder) und sein verbitterter Großvater (Alec Guinness) zueinanderfinden. Dabei sieht es zu Beginn gar nicht nach einem Happy End aus. Ceddie soll seine Heimat Amerika verlassen, um mit seinem Großvater in England zu leben. Dieser ist Earl und Griesgram zugleich und möchte den Jungen zum Aristokraten formen. Der  Blondschopf erobert aber nicht nur die Herzen seiner zukünftigen Pächter, sondern beweist seinen Großvater, dass Güte und Nächstenliebe den wahren Herrscher ausmachen. Ein Märchen eben.

Eine Weihnachtsgeschichte (GB, USA, 1984)

Zitat: „Humbug“ – was sonst?
Unzählige Male ist Charles Dickens‘ Erzählung „Ein Weihnachtslied in Prosa“ bisher verfilmt worden – mit den Muppets, als Trickfilm, aufgepeppt mit Bill Murray, animiert mit Jim Carrey. Die Version von 1984 ist mir immer noch die liebste, kommt sie doch dem unaufdringlichen Zauber von Dickens‘ Geschichte am nächsten. Ebenezer Scrooge hasst Weihnachten. Wohltätigkeit ist für den Geizhals ein Fremdwort. In der Nacht vor Weihnachten erscheinen ihm drei Geister, die ihm die vergangenen, die gegenwärtigen und die noch kommenden Weihnachten zeigen. Am Ende dieser Reise findet sich Scrooge vor einem Grab wieder – seinem eigenen. Niemand trauert um ihn. Er ist einsam gestorben. Durch die Erlebnisse dieser Nacht geläutert, wird Scrooge zu einem Menschen, der Weihnachten in seinem Herzen bewahrt – in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.

„Stirb langsam“ (USA, 1988)

Zitat: „Yippeahee, Schweinebacke!“
Überrascht? Natürlich ist „Stirb langsam“ ein Weihnachtsfilm – wenn auch einer der etwas anderen Art. Der New Yorker Polizist John McClane (Bruce Willis) fährt nach Los Angeles, um mit seiner Frau Heiligabend zu verbringen. Wie der Zufall will, wird die Weihnachtsfeier in einem Bürogebäude von Terroristen gestürmt, die die Angestellten als Geiseln nehmen. Nur gut, dass Bruce Willis in der Nähe ist, um wieder einmal die Welt zu retten. Warum er dies im zerfetzten, blutgetränkten Unterhemd tut, bleibt ein Rätsel.

„Schöne Bescherung“ (USA, 1989)

Zitat: „Ich sehe die Erhabenheit eines klaren Wintermorgens und einen Penner im Bademantel, der seine chemische Toilette in meiner Klärgrube entsorgt.“
Was kann zu Weihnachten alles schief gehen? Clark Griswold (Chevy Chase) zeigt es uns. Der Familienvater will nichts weiter als ein schönes Weihnachtsfest mit seinen Lieben, einen Christbaum und einen Festtagsbraten. Wenn nur die bucklige Verwandtschaft nicht wäre, die dafür sorgt, dass die Katze gegrillt wird, der Baum abfackelt und am Ende das halbe Haus in die Luft fliegt. Gar nicht leicht, dabei den Überblick zu behalten, zumal Clark ein viel größeres Problem plagt: Die Weihnachtsbeleuchtung will nicht funktionieren.

„Der Grinch“ (USA, 2000)

Zitat: „Ist Weihnachten doch nicht bloß Essen und Schenken? Vielleicht ist Weihnachten mehr, das muss ich wohl denken.“
„Every Who down in Whoville liked Christmas a lot… But the Grinch, who lived just north of Whoville, did NOT!“ So beginnt Dr. Seuss‘ Geschichte „How the Grinch stole Christmas“. Im Jahr 2000 schlüpfte Grimassengesicht  Jim Carrey in die Haut des kleinen grünen Monsters, das sich ausgestoßen fühlt und sich deshalb in den Bergen zurückgezogen hat. Zu Weihnachten will er sich an den Whos in Whoville rächen. Er stiehlt ihnen Geschenke, Braten und Baum, um ihnen das Fest zu vermiesen. Doch Weihnachten ist viel mehr, das muss am Ende auch der Grinch erkennen.

„Tatsächlich … Liebe“ (GB, USA, 2003)

Zitat: „Kinder, kauft keine Drogen… Werdet Popstar, dann bekommt ihr sie umsonst!“
Zehn Liebesgeschichten – geschickt miteinander verwoben. Das ist „Tatsächlich … Liebe“. Der trauernde Witwer, der seinem Stiefsohn beim ersten Liebeskummer beisteht, der Trauzeuge, der in der Braut seines besten Freundes verliebt ist, der Familienvater, der sich von seiner Sekretärin verführen lässt, der alternde Rockstar, der seinen letzten großen Hit landen will, der neue Premierminister, der sich in seine Kantinenchefin verguckt …  „Tatsächlich … Liebe“ ist Romantik pur. Und wenn ich vorher nicht in Weihnachtsstimmung war, nach diesem Film bin ich es.

Fehlt ein Film in meiner Aufzählung? Und welches Zitat sollte nicht unerwähnt bleiben? Wenn euch noch was einfällt, hinterlasst bitte einen Kommentar. Die Auflösung folgt in ein paar Tagen. Dann erfahrt ihr auch, welcher mein liebster Weihnachtsfilm ist.

Übrigens: Eine schöne Übersicht über Weihnachtsfilme bietet Martin Böhnisch auf seiner Website.

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MACBETH – Ein Mord und seine Folgen

Sie sind das fieseste Schurkenpaar der Film- und Theatergeschichte. Sie lernen selbst Bonnie und Clyde das Fürchten: Macbeth und seine Lady.

Angestachelt von seiner Frau ersticht Macbeth König Duncan. Der Grund: Drei Hexen haben ihm prophezeit, dass er eines Tages selbst König von Schottland wird. Mit der Bluttat will er das Ganze beschleunigen. Macbeth wird tatsächlich zum König gekrönt, aber anstatt seinen Aufstieg zu genießen, wandelt er sich vom tapferen Heeresführer zum mordenden Tyrannen.

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Das Ehepaar Macbeth (Michael Fassbender und Marion Cotillard). Foto: StudioCanal Deutschland

Ein Mord und seine Folgen: Etliche Filmemacher haben sich in der Vergangenheit an „Macbeth“ – William Shakespeares kürzestem Drama – versucht, darunter große Namen wie Orson Welles (mehr über Orson Welles hier), Akira Kurosawa und Roman Polanski. Warum also einen Stoff, der bereits auf jede erdenkliche Weise interpretiert wurde, erneut auf die Leinwand bringen? Ganz einfach: Um dem Publikum eine andere Sichtweise zu ermöglichen. Aber wie?

Macbeth in Trauer

Den Prozenten der neuen „Macbeth“-Verfilmung sind zwei Glücksgriffe gelungen. Sie haben Regisseur Justin Kurzel und Schauspieler Michael Fassbender ins Boot geholt. Mit einigen feinen dramaturgischen Kniffen zeigt Kurzel das kaltblütige  Paar von einer neuen Seite. So tragen die Macbeths zu Beginn – ganz anders als in Shakespeares Vorlage – ihr verstorbenes Kind zu Grabe. Macbeth kann seiner Gattin nicht beistehen in ihrer tiefen Trauer. Er muss für König Duncan in die Schlacht ziehen, um Schottland gegen die Norweger zu verteidigen. Monate gehen ins Land. Die Grausamkeit des Krieges und der Verlust seiner Kameraden setzen Macbeth zu. Er ist müde, depressiv, des Kämpfens überdrüssig. Mitten in einer Schlacht erscheinen ihm drei Frauen, verheißen ihm etwas Gutes. Wie real sind diese Seherinnen? Sind sie tatsächlich dort, oder sind sie eine Ausgeburt seiner Fantasie, eine Halluzination seines vernebelten Verstandes? Mit diesen Gedanken spielt Regisseur Justin Kurzel und verleiht dem angestaubten Plot damit etwas ganz Aktuelles.

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Macbeth (Michael Fassbender). Foto: StudioCanal Deutschland

Fassbender und Cotillard in Bestform

Wie viele Soldaten nach ihrem Kriegseinsatz leidet auch Macbeth an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Interessant. Und sicherlich eine Herausforderung für Hauptdarsteller Michael Fassbender. Der Ire mit deutschen Wurzeln scheint inzwischen darauf abonniert zu sein, unbequeme Charaktere zu verkörpern. Nach dem Sexsüchtigen  in „Shame“ (2011), dem besessenen Sklavenhalter in „12 years a slave“ (2013) und zuletzt dem umstrittenen Apple-Mastermind „Steve Jobs“ (2015) nun also Macbeth. Fassbender stellt diese Figur nicht einfach nur dar, er inhaliert sie und atmet sie wieder aus. Er schreit, wütet, blutet, schwitzt, verzweifelt, meuchelt und heult – er spielt nicht, er ist Macbeth.

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Lady Macbeth (Marion Cotillard). Foto: StudioCanal Deutschland

Marion Cotillard als Lady Macbeth ist zunächst etwas befremdlich. Eine Französin als schottische Furie in einem Shakespeare-Drama? Aber auch Cotillard ist in Höchstform. Ihre Lady Macbeth ist kein machthungriges kaltes Biest, dem jedes Mittel Recht ist, um sein Ziel zu erreichen. Zwar ist sie es, die Macbeth zum Mord treibt. Zugleich droht sie jedoch im Kummer um ihr totes Kind und ihren entfremdeten Gatten zu versinken. Diesen seelischen Spagat meistert Marion Cotillard mit zarter Sensibilität. Menschlich und zutiefst verstörend.

Shakespeare reloaded

Justin Kurzels „Macbeth“ ist ein Film, der beeindrucken möchte . Schlachten, in denen das Blut nur so spitzt, die Landschaften schroff, karg, unnahbar – spiegeln sie doch die Gemütsverfassung der Protagonisten wider. Dazu Shakespeares wunderschöne Sprache und ein Soundtrack, der markerschütternd ist. Kurzel gibt dem Zuschauer Zeit, lässt seine Bilder lange wirken, wodurch sich diese Eindrücke noch verstärken. Dennoch muss man sich auf den Film, die ungewohnt langsame Erzählweise und die Sprache einlassen. Schwere Kost – nach einem langen Arbeitstag ist „Macbeth“ deshalb nicht zu empfehlen. Wer kurzweiliges Actionkino erwartet, ist ebenfalls fehl am Platz. Wer aber ausgeruht und aufgeschlossen ist und ein Faible für super Schauspieler, tolle Landschaftsaufnahmen und  Shakespeare in neuem Gewand hat, wird diesen Film nicht so schnell  vergessen.

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„Macbeth“ (2015), 113 Minuten
Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Paddy Considine, Sean Harris, Jack Reynor, Elizabeth Debicki, David Thewlis

Regie: Justin Kurzel
Produzenten: Iain Canning, Emile Sherman, Laura Hastings-Smith
Drehbuch: Jacob Koskoff, Michael Lesslie, Todd Louiso
Kamera: Adam Arkapaw
Schnitt: Chris Dickens
Musik: Jed Kurzel

James Bond: Warum „Spectre“ viel besser ist, als alle sagen

Langweilig, langatmig, schlichtweg zu lang – und nach „Skyfall“ (2012) eine Enttäuschung. Viele Kritiker lassen kein gutes Haar an „Spectre“, dem neuesten James-Bond-Film.

Habe ich etwa einen anderen Film im Kino gesehen? Mich hat „Spectre“ so sehr gefesselt, dass ich mein Knabberzeug in 148 Minuten kein einziges Mal angerührt habe.

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Offizielles Poster „Spectre“. Foto: Sony Pictures

Vom arroganten Heißsporn über den verbitterten Rächer zum alternden Agenten mit Kindheitstrauma – so haben wir Daniel Craig bei seinen ersten drei Einsätzen als James Bond erlebt. „Skyfall“, der dritte Film der Craig-Reihe, war ein Höhepunkt. Unbestritten. Warum? Weil modernes Action-Kino mit Bond-Nostalgie verwoben wurde. Das fing mit Adeles Titelsong an und setzte sich beim Einsatz des klassischen Aston Martins und der Wiederbelebung von Miss Moneypenny (Naomie Harris) und Quartiersmanager „Q“ (Ben Whishaw) fort.

Auch Bonds Flucht zum Haus seiner Eltern symbolisiert eine Art Rückbesinnung auf vergangene Zeiten. Dass das Haus in den schottischen Highlands nur noch eine Ruine ist und schließlich in die Luft gesprengt wird, steht für ein Innehalten, einen fulminanten Schlusspunkt. Gleichzeitig auch ein Wendepunkt?

Neuanfang nach „Skyfall“?

Nach „Skyfall“ hatten die Bond-Autoren  zwei Möglichkeiten. Erstens: Tatsächlich einen Neuanfang zu wagen – mit neuem Bond-Darsteller und neuem Konzept. Die Variante verpuffte von selbst. Schon vor drei Jahren sickerte durch, dass Daniel Craig für mindestens einen weiteren Film unterschrieben hatte. Zweitens: Die mit „Skyfall“ beschrittenen Pfade fortzusetzten, ohne den Vorgänger zu kopieren. Und so kam es auch.

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Spektakuläre Eröffnung: Regisseur Sam Mendes gibt seinem Star Daniel Craig Anweisungen. Foto: Sony Pictures

Auf den Spuren von „Spectre“

Die Handlung von „Spectre“ setzt da ein, wo „Skyfall“ aufgehört hat – kurz nach dem Tod von Bonds Vorgesetzter „M“ (Judi Dench). In einer letzten Videobotschaft fordert sie ihn auf, einen Mann namens Sciarra zu töten. James Bond ermittelt auf eigene Faust, findet den Schurken und schaltet ihn aus. Bei dessen Beerdigung lernt er nicht nur dessen betörende Witwe (Monica Bellucci) kennen, sondern kommt gleichzeitig der Verbrecherorganisation „Spectre“ auf die Spur. Diese wird von einem alten Bekannten geführt, Bonds Stiefbruder Franz Oberhauser (Christoph Waltz). Gemeinsam mit Madeleine (Lea Seydoux), der Tochter seines einstigen Feindes Mr. White, versucht Bond hinter das Geheimnis von Spectre zu kommen. Eine Jagd über mehrere Kontinente beginnt. Was bitte schön soll daran langweilig sein? Nicht eine einzige Sekunde!

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Schachmatt? James Bond (Daniel Craig) hat in „Spectre“ zu alter Form zurückgefunden. Foto: Sony Pictures

Schon die erste viertel Stunde von „Spectre“ ist atemberaubend. Tausende Menschen sind in Mexiko-Stadt auf den Straßen und feiern den Tag der Toten. Über ihren Köpfen versucht James Bond einen Terroristen zu überwältigen – in einem Hubschrauber, der bedrohlich tief über den Massen kreist. Das ist Nervenkitzel, das ist Spannung. Das ist Actionkino pur. Wie auch die Verfolgungsjagden durch die Straßen Roms, über die Themse und durch die Alpen – zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

Während James Bond in „Skyfall“ körperlich und mental schwächelte, hat er in „Spectre“ zu alter Form zurückgefunden. So wie auch Daniel Craig. Er verleiht der in die Jahre gekommenen Figur nicht nur erneut Glaubwürdigkeit und Tiefe. Craig absolviert auch mit Mitte 40 die meisten Stunts selbst. Nur auf Nacktszenen wollte er diesmal verzichten. Gleichzeitig verblüfft er mit einer neuen Qualität: Humor. Ja, man darf lachen über den bisher eher staubtrockenen Agenten – etwa wenn sich James Bond im Zwiegespräch mit einer Maus befindet.

Bondgirl ohne Sexappeal?

Als Bondgirl wurde ihm Lea Seydoux zur Seite gestellt. Viel wurde über die französische Actrice gelästert. Ihr fehle es an Sexappeal, sie könne Kollegin Monica Bellucci nicht das Wasser reichen und, und, und. Alles Quatsch: Die Französin ist bildhübsch. Sie verkörpert die zuerst sehr spröde agierende Madeleine natürlich, verletzlich und kämpferisch zugleich. Nachdem Bond zuletzt nur brünette Gespielinnen verführen durfte, sorgt die Blondine für frischen Wind – und zwar nicht nur im Bett des Geheimagenten.

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Verbündete: Madeleine Swann (Lea Seydoux) und James Bond (Daniel Craig). Foto: Sony Pictures

Christoph Waltz überzeugt einmal mehr als kriminelles Mastermind. Sein Franz Oberhauser, so stellt sich heraus, steckt hinter allen privaten Krisen im Leben von James Bond: dem Tod seiner großen Liebe Vesper, dem Mord an „M“. Denn Oberhauser ist nicht nur ein einfacher Schurke, sondern ein Psychopath – zerfressen von Eifersucht und Hass auf seinen Stiefbruder. Leider wirkt Christoph Waltz nach seinen Auftritten in „Inglorious Basterds“ und „Django Unchained“ inzwischen so routiniert als feingeistiger und wortgewandter Bösewicht, dass er nicht mehr wirklich überrascht.

Daniel Craig vor Abschied?

Der Film endet, wie er angefangen hat: mit einer Verfolgungsjagd und einer Explosion – und mit der Erkenntnis, dass das Doppel-Null-Programm des britischen Geheimdiensts alles andere als antiquiert ist. Zwar sind digitale Überwachung, Drohnen und weltweite Vernetzung auf dem Vormarsch, dennoch gehören Agenten wie James Bond noch lange nicht zum alten Eisen. Die Fans der Filmreihe wird’s sicherlich freuen.

Und was erwartet uns als nächstes? Mit „Spectre“ hätte Daniel Craig den perfekten Abgang als James Bond gehabt. Mit seiner Geliebten im Arm verschwindet er im Londoner Nebel – um nach vier Einsätzen Platz zu machen für einen neuen Bond? Wer weiß. Über kurz oder lang wird sich der Nebel verflüchtigen. Wer dann mit der Pistole in der Hand heraustritt, ist derzeit Hollywoods bestgehütetes Geheimnis. Wir warten mit angehaltenem Atem 🙂

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„Spectre“ (2015), 148 Minuten
Darsteller: Daniel Craig, Christoph Waltz, Lea Seydoux, Ralph Fiennes, Ben Whishaw, Naomie Harris, Dave Batista, Monica Bellucci, Andrew Scott, Rory Kinnear, Jesper Christensen, Stephanie Sigman
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: John Logan, Neal Purvis, Robert Wade, Jez Butterworth
Produktion: Michael G. Wilson, Barbara Broccoli
Musik: Thomas Newman, Titelsong: Sam Smith
Kamera: Hoyte van Hoytema
Schnitt: Lee Smith