Im Wilden Westen nichts Neues – Die glorreichen Sieben

Sie reiten wieder und ballern, was das Zeug hält – „Die glorreichen Sieben“. Im Jahr 2016 schwingen sich Denzel Washington, Chris Pratt, Ethan Hawke, Vincent D’Onofrio und drei weitere Haudegen aufs hohe Ross, um gegen das Unrecht im Wilden Westen zu kämpfen.

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„Die glorreichen Sieben“ – ein Kultwestern reloaded. Foto: Sony Pictures

Remakes sind angesagt, aber selten notwendig. Und jedes Mal fragt man sich, was bewegt einen Produzenten dazu, einen Klassiker aus der Schublade zu ziehen und neu zu verfilmen? Wie auch bei „Die glorreichen Sieben“. In diesem Fall war es, will man Regisseur Antoine Fuqua Glauben schenken, schlicht und einfach die Annahme, dass der Film von 1960 den heutigen Kinogängern unbekannt sei. Nun mag es sicher Leute geben, die noch nie etwas von Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson, Horst Buchholz und James Coburn gehört haben, die bei der Filmmusik von Elmer Bernstein hilflos den Kopf schütteln. Aber mal ehrlich, „Die glorreichen Sieben“ zählt neben „Zwölf Uhr mittags“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“ zu den Western schlechthin. Wer den nicht kennt, muss schon mit dem Klammerbeutel gepudert sein.

Remake vom Remake

Dabei ist die 1960er Version selbst ein Remake. Regisseur John Sturges nutzte damals den vielbeachteten 200-Minüter „Die sieben Samurai“ (1954) von Akira Kurosawa als Vorlage, tauschte Schwerter gegen Colts und verlegte die Handlung vom Japan des 16. Jahrhunderts in die Zeit des Wilden Westens irgendwo zwischen den USA und Mexiko – und fertig war der Kultwestern.

Dem hat Fuqua im Jahre 2016 nicht wirklich viel Neues hinzuzufügen. Okay, Denzel Washington als Anführer des Septetts – das hätte es sowohl im 19. Jahrhundert als auch im Hollywood der 1960er nicht gegeben. Die Westernfilme jener Zeit waren blütenweiß. Vor dem Hintergrund der Diversity-Debatte in den USA ist es ein Zeichen und ein Schritt in die richtige Richtung, Washington einmal mehr als leading man zu besetzen – übrigens nach „Training Day“ (2001) und „The Equalizer“ (2014) die dritte Zusammenarbeit von Washington und Regisseur Antoine Fuqua.

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„Die glorreichen Sieben“ – auch als Duo nicht übel: Denzel Washington und Chris Pratt. Foto: Sony Pictures

Die Story bleibt die gleiche. Sieben mehr oder weniger rechtschaffende Revolverhelden tun sich zusammen, um ein Provinzkaff von Unholden zu befreien. In der Version von 2016 ist es eine hübsche Lady in Nöten (Haley Bennett), die die Männer überzeugt, selbstlos zu helfen, anstatt wie sonst in die eigene Tasche zu wirtschaften. Nachdem sich die Sieben gefunden haben, reiten sie in die Schlacht und in dem sicheren Tod – einige von ihnen zumindest. Denn Bösewicht Bogue (Peter Sarsgaard) hat nicht nur eine halbe Armee um sich gescharrt, er bedient sich auch einer Waffe, die wie ein antiquiertes Maschinengewehr anmutet. Mit Hilfe der Dorfbewohner gelingt es den „Glorreichen Sieben“ nach einem schier endlosen Pistolenfeuerwerk aber selbstverständlich, die Bösen zur Strecke zu bringen.

Das Erfrischende neben den flotten Sprüchen der Protagonisten ist dabei der Verzicht auf Special Effects. Dafür kommen jede Menge Stuntmen zum Einsatz. Und wenn im Film eine Bretterkulisse explodiert, fliegt sie auch wirklich in die Luft. Das macht den Film zwar nicht automatisch zum Hit. Dennoch ist er nett anzusehen, erinnert er doch in seiner Machart an die Goldene Zeit der Western. Und wenn beim Abspann endlich die berühmte Bernstein-Melodie ertönt, kommt sogar so etwas wie Nostalgie auf.

Wie ist es bei euch? Original oder Fälschung? Was bevorzugt ihr?

„Die glorreichen Sieben“ (USA, 2016)
133 Minuten
Darsteller: Denzel Washington, Chris Pratt, Ethan Hawke, Vincent D’Onofrio, Byung-hun Lee, Manuel Garcia-Rulfo, Martin Sensmeier, Haley Bennett, Peter Sarsgaard, Matt Bomer, Luke Grimes
Regie: Antoine Fuqua
Drehbuch: Nick Pizzolatto, Richard Wenk
Kamera: Mauro Fiore
Schnitt: John Refoua
Musik: James Horner, Simon Franglen
Produktion: Roger Birnbaum, Todd Black

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Bleib besonders – Die Insel der besonderen Kinder

Die Welten, die Tim Burton erschafft, sind bunt und düster zugleich – und voller merkwürdiger Gestalten. Sonderlinge haben es dem Filmemacher angetan. Sie und ihr Bestreben, der Isolation zu entfliehen, von ihrer Umwelt anerkannt und ein Teil von ihr zu werden.

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„Die Insel der besonderen Kinder“: Miss Peregrine (Eva Green) verteidigt ihre Schützlinge bis aufs Blut. Foto: 20th Century Fox

In Tim Burtons neuestem Streich „Die Insel der besonderen Kinder“ haben sich die Sonderlinge in ihre eigene, sichere Welt zurückgezogen, sie leben abseits der Gesellschaft, müssen sich aber auch in dieser Welt gegen Eindringlinge zur Wehr setzen, um zu überleben.

Dabei fühlt sich der 16-jährige Jake (Asa Butterfield) überhaupt nicht besonders. Die meiste Zeit kommt er sich sogar unsichtbar vor – ignoriert von den Mitschülern, von den Eltern. Nur sein Großvater (Terence Stamp) schenkt ihm Beachtung. Leider hat der kürzlich das Zeitliche gesegnet. Brutal niedergemetzelt, seiner Augen beraubt. Wer tut so etwas? War es ein Tier – oder vielleicht doch eines der Monster, von denen der Großvater so oft erzählt und gewarnt hat?

Monstermäßig fantastisch

Gibt es diese Monster wirklich? Und mit ihnen Miss Peregrine und ihr Heim für besondere Kinder, in dem der Großvater während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht gefunden haben will. Sind dies Erinnerungen?  Oder sind es die Fantasien eines Holocaust-Überlebenden? Jake will es herausfinden, reist mit seinem Vater zu der kleinen walisischen Insel, auf der sich das Heim befunden haben soll. Zu seiner Überraschung existiert es tatsächlich, nur viel ist nicht mehr übrig. 1944 fiel das Haus einem Bombenangriff der Nazis zum Opfer und mit ihm seine Bewohner.

Und jetzt wird es fantastisch: Durch eine Art Schlupfloch gelangt Jake in eine Zeitblase, die die Heimbewohner konserviert hat, die sie in einer Endlosschleife immer wieder den Tag des Bombenangriffs erleben lässt. Zuerst ist Jake skeptisch. Hat er sich nur etwas zu heftig am Kopf gestoßen, oder sind die Geschichten seines Großvaters wahr? Sie stehen wahrhaftig vor ihm: Miss Peregrine (Eva Green) und die Kinder mit ihren besonderen Fähigkeiten – das Luftmädchen, der Unsichtbare, die Feurige. Sie heißen ihn willkommen.

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„Die Insel der besonderen Kinder“: Jeder ist besonders – auf seine eigene Art. Foto: 20th Century Fox

Wie Jake bald erfährt, ist er alles andere als gewöhnlich und unbedeutend. Auch er ist besonders. Er ist derjenige, der die Kinder retten kann. Er ist der einzige, der die unsichtbaren Monster sieht. Und die haben es auf die Kinder abgesehen. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt.

Tiefe Abgründe

„Die Insel der besonderen Kinder“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ransom Riggs. Eine wahre Spielwiese für Tim Burton, auf der sich der Visionär austoben kann. Im Film stehen sich zwei Welten gegenüber: Jakes Realität im Jahr 2016 ist kalt, farblos, ungemütlich – kein Ort, an dem man sich gerne aufhält. Die Welt innerhalb der Zeitblase zeichnet Burton in kräftigen, warmen Farben. Die alte Villa und der verwunschene Garten mit seinen versteckten Winkeln wirken wie in Zauberreich – einladend und mystisch zugleich.

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„Die Insel der besonderen Kinder“: Jake (Asa Butterfield) und die luftig-leichte Emma (Ella Purnell). Foto: 20th Century Fox

Wie schon bei „Big Fish“ und „Alice im Wunderland“ begibt sich Burtons Protagonist in eine Parallelwelt, die auf den ersten Blick zauberhaft ist, aber viele Geheimnisse und tiefe Abgründe birgt. Gut und Böse stehen einander gegenüber, bekämpfen sich bis auf die Zähne. Burton gelingt es meisterhaft, die sonderbaren Wesen in dieser Welt zum Leben zu erwecken. Dabei halten er und Drehbuchautorin Jane Goldman sich zwar nicht immer ganz an die Romanvorlage. Das ist aber überhaupt nicht störend. Eva Green gibt als stets Pfeife rauchende und überkorrekte Miss Peregrine eine herrlich düstere Mary Poppins, die ihre Schützlinge bis aufs Blut verteidigt. Samuel L. Jackson blüht so richtig auf als zähnefletschender Kinderschreck Barron. So viel Spaß hat der Filmbösewicht („Pulp Fiction“, „The hateful 8“) lange nicht gemacht. Und Asa Butterfield („Hugo Cabret“) hat sich vom jungen Talent zum Schauspieler gemausert. Sein Jake steht an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Er erkennt schließlich, dass menschliche Perfektion eine Illusion ist. Dass es die kleinen Makel sind, die einen Menschen ausmachen, die ihn besonders machen. Er entscheidet sich dafür, sich treu zu bleiben und zu seinen Makeln zu stehen, anstatt sich anzupassen. Stay peculiar, bleib besonders!

„Die Insel der besonderen Kinder“ ist Augenfutter pur – Szene für Szene, bis auf wenige Ausnahmen. Ein Märchen für Jung und Alt. Bildgewaltig und fesselnd. Ich habe den Film genossen.

Was ist euer Lieblingsfilm von Tim Burton? Die alten „Batman“-Schinken, „Edward mit den Scherenhänden“, „Sleepy Hollow“ oder ein ganz anderer? Schreibt mir.

„Die Insel der besonderen Kinder“ (USA, UK, Belgien 2016)
127 Minuten
Darsteller: Asa Butterfield, Ella Purnell, Eva Green, Samuel L. Jackson, Judi Dench, Allison Janney, Chris O’Dowd, Terence Stamp, Milo Parker, Raffiella Chapman
Regie: Tim Burton
Drehbuch: Jane Goldman
Kamera: Bruno Delbonnel
Schnitt: Chris Lebenzon
Musik: Michael Higham, Matthew Margeson
Produktion: Peter Chernin, Jenno Topping

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FRANTZ – Von der Sehnsucht nach Vergebung

Mit „Frantz“ hat Regisseur Francois Ozon Neuland betreten. Nie zuvor hat sich der französische Filmemacher dem Thema Erster Weltkrieg gewidmet. Erstmals hat er außerhalb seines Heimatlandes gedreht, hat er Kriegs- und Kampfszenen gefilmt. Für Ozon eine große Herausforderung, wie er selbst sagt. Auch dem Zuschauer verlangt er bei „Frantz“, seinem inzwischen 16. Spielfilm, einiges ab: Szenen in deutscher und in französischer Sprache, der Wechsel von Farbe zu Schwarzweiß, die entschleunigte Erzählweise. Das ist anders und ungewohnt. Aber genau das und dazu das sensible Spiel der Hauptdarsteller machen „Frantz“ zu einem der sehenswertesten und eindrucksvollsten Filme der letzten Jahre.

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Anna (Paula Beer) erzählt Adrien (Pierre Niney) von Frantz. Foto: X Verleih

Zur Handlung: Anna (Paula Beer) trauert um ihren Verlobten. Frantz (Anton von Lucke) war Soldat, ist im Ersten Weltkrieg gefallen. Jeden Tag legt sie Blumen auf sein Grab. Der Weg durch die Straßen des Harzstädtchens hin zum Friedhof ist für Anna zur Routine geworden. Eine Routine, die dem aus den Fugen geratenen Leben der jungen Deutschen einen Rahmen bietet – die ihr selbst Halt gibt. Diese Routine wird eines Tages durch einen Unbekannten (Pierre Niney) durchbrochen. Anna beobachtet, wie er an Frantz‘ Grab trauert.

Schuld und Sühne

Kurz darauf nimmt der Franzose Kontakt zu Frantz‘ Eltern (Ernst Stötzner, Marie Gruber) auf. Er sei ein Freund von Frantz gewesen, habe ihn vor dem Krieg bei einem Aufenthalt in Paris kennen gelernt. Mit dem Tod des Freundes habe auch er einen Verlust erfahren, sagt er. Vor allem der Vater sträubt sich zuerst dagegen, Adrien Gehör zu schenken. So kurz nach dem Krieg, nach der Niederlage der Deutschen sieht er in jedem Franzosen einen Feind. Schließlich könnte jeder von ihnen der Mörder seines Sohnes sein. Doch war er es nicht selbst, der Frantz gedrängt hat, zur Waffe zu greifen, in die Schlacht zu ziehen und andere Söhne zu töten? Hat er sich dadurch nicht selbst schuldig gemacht?

Schuld und Vergebung sind die großen Themen von „Frantz“. Hat nicht jeder während des Krieges Schuld auf sich geladen? Und sehnt sich später nicht jeder nach Vergebung? Danach, dass ihm andere vergeben. Und danach, irgendwann sich selbst vergeben zu können. Auch Adrien möchte das. Auf Wunsch der Familie erzählt er von seiner Freundschaft zu Frantz, spielt sogar auf der Geige des Verstorbenen, nimmt für kurze Zeit dessen Platz ein. „Haben Sie keine Angst, uns glücklich zu machen“, sagt Frantz‘ Mutter zu ihm. So ist es an Adrien, Trost zu spenden und den Trauernden Momente des Glücks zu bescheren.  Anna entgeht dabei nicht, dass auch Adrien vom Krieg gezeichnet ist. „Meine größte Narbe ist Frantz“, gibt er zu. Adrien hat mit seinem eigenen Trauma zu kämpfen. Und mit einem Geheimnis, das ihn quält. Denn er hat Frantz‘ Familie belogen.

Authentisch

Francois Ozon erzählt die Geschichte in nüchternen, fast bedrückenden Schwarzweiß-Bildern. Nur wenn Hoffnung aufkeimt, kommt Farbe ins Spiel. Für den Zuschauer ist der Sprung von Farbe zu farblos nicht immer nachvollziehbar. Aber um Logik geht es Ozon nicht. Wie die Venen im Körper werden die Schwarzweiß-Einstellungen des Filmes von der Farbe durchblutet, erläutert der Regisseur. Der Effekt: Der bewusste Verzicht auf Farbe lässt die Bilder authentisch wirken. Kennen wir den Ersten Weltkrieg nicht eigentlich nur von Schwarzweiß-Aufnahmen, von alten Fotos? Selbst die Emotionen der Protagonisten haben etwas Dokumentarisches und dadurch höchst Glaubwürdiges – wenn plötzlich der Hauch eines Lächelns über das Gesicht des verbitterten Vaters huscht, wenn Anna gegen ihre aufflammenden Gefühle ankämpft. Im Gegensatz dazu der Einsatz von Farbe in der letzten Szene des Films, wenn Annas Lust am Leben mit aller Macht zurück kehrt.

„Frantz“ ist ein Film über die Folgen des Ersten Weltkrieges in Deutschland und Frankreich. Über Trauer und Wut auf beiden Seiten, über Schuld und Sühne – und über den Wunsch der Menschen, weiter leben und wieder lieben zu können. Zutiefst berührend und lange nachwirkend.

„Frantz“, Frankreich, Deutschland 2016
113 Minuten
Darsteller: Paula Beer, Pierre Niney, Ernst Stötzner, Marie Gruber, Johann von Bülow, Anton von Lucke, Cyrielle Clair, Alice de Lencquesaing
Regie: Francois Ozon
Drehbuch Francois Ozon (frei nach „Broken Lullaby“ von Ernst Lubitsch (1931)
Kamera: Pascal Marti
Musik: Philippe Rombi
Schnitt: Laure Gardette
Produzenten: Stefan Arndt, Uwe Schott, Eric und Nicolas Altmayer

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