FARGO: Film oder Serie, das ist hier die Frage

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Schenkt man Joel und Ethan Coen Glauben, sind die Winter in Minnesota schneereich, die Leute – sagen wir mal – etwas verschlafen und die Mordrate ungewöhnlich hoch. Und die Coen-Brüder müssen es wissen, schließlich stammen sie aus Minnesota. Sumpf des Verbrechens ist Fargo – gleich um die Ecke im Nachbarstaat North Dakota. Von dort kommen sie: schießwütige Kopfgeldjäger, Gauner, die für einen Appel und ein Ei morden.

Mit ihrem gleichnamigen Film (1996) haben die Coens der Stadt Fargo wohl einen Bärendienst erwiesen. Sicher gibt es dort genauso viele rechtschaffende Menschen wie anderswo auch. Und als wäre ein Film wie „Fargo“ fürs städtische Image nicht schon schlimm genug, gab US-Sender FX 17 Jahre später gleich noch eine Fernsehserie namens „Fargo“ in Auftrag, die nicht minder blutig ist. Aber reicht sie an das Original heran? Film oder Serie – das ist hier die Frage.

Neue Schauspieler, neue Charaktere und mit Noah Hawley ein neuer Schöpfer (obwohl die Coens als executive producers ihre Finger mit drin haben) – auf den ersten Blick haben Film und Serie wenig miteinander zu tun. Der Film spielt in den 1980ern in Minneapolis und im Provinzkaff Brainerd, die Serie gut 20 Jahre später hauptsächlich in Bemidji.

Leichen pflastern ihren Weg

Auf den zweiten Blick gibt es etliche Parallelen. Da ist der Spießer, vom Leben gebeutelt, der nicht mehr weiter kann, der plötzlich mehr will. Im Film ist es der erfolglose Autoverkäufer Jerry (William H. Macy), der in Geldnöte geraten ist und zwei Verbrecher aus Fargo (da haben wir es) anheuert, die seine Frau entführen sollen. „Ohne Gewalt“ gibt er den Halunken (Steve Buscemi, Peter Stormare) mit auf den Weg, denn er will ja nur Lösegeld vom geizigen Schwiegervater erpressen. Aber mit Verbrechern ist das so eine Sache. Die machen gern ihr eigenes Ding, erschießen Streifenpolizisten auf der Flucht, verpatzen Geldübergaben, töten sogar das Opfer – so dass Jerry am Ende weder Frau noch Geld hat.

Was für Normalsterbliche wie ein Fluch klingt, ist für Polizisten ein Segen: Immer was zu tun. Dabei hat Marge (Frances McDormand) ganz andere Sorgen. Die Polizeichefin von Brainerd ist hochschwanger, und sie hat ständig Hunger. Wenn sie nicht gerade isst oder mit Ehemann Norm im Bett liegt, verfolgt Marge also die Spuren, die die beiden Verbrecher hinterlassen haben. Und das sind nicht nur die Leichen, die ihren Weg pflastern, sondern auch Prostituierte, die die Entführer haarklein beschreiben können. („Der Kleine sah irgendwie schräg aus.“ – „In welcher Hinsicht?“ – „Ich weiß nicht, irgendwie schräg.“) Trotz solcher Aussagen und mit Hilfe ihres Spürsinns kann Marge den Betrüger und die Verbrecher schließlich überführen. Obwohl von letzteren dank einer Häckselmaschine nicht mehr viel übrig ist.

Wenn der Postmann zweimal klingelt

Was Jerry für den Film ist, ist für die Serie Versicherungsvertreter Lester (Martin Freeman). Wer Freeman in „Sherlock“ und „Der Hobbit“ schätzt, lernt ihn hier ganz anders kennen. Denn sein Lester ist das traurigste Würstchen von ganz Minnesota. Auf Arbeit belächelt, von der Frau tyrannisiert – er ist bedauernswert, klein, unbedeutend. Wie der Zufall will, trifft er Auftragskiller Malvo (Billy Bob Thornton). Er klagt ihm sein Leid, und am nächsten Tag ist einer seiner Widersacher tot. Zufall?

Lesters Leben ändert sich kurz darauf schlagartig (im wahrsten Sinne des Wortes), als er seine Frau im Streit mit dem Hammer niederstreckt: Erfolg im Beruf, eine Affäre und schließlich eine neue (nette) Ehefrau, wenn nur Mitwisser Malvo und die beiden aufgescheuchten Gangster aus Fargo (!) nicht wären – und die Polizei, die ihm auf den Fersen ist. Oder besser gesagt die Polizistin. Molly (Allison Tolman) ist genauso sympathisch, hartnäckig und bedächtig wie Marge, aber nicht schwanger. – Zumindest zu Anfang der Staffel nicht. Das ändert sich aber, wenn sie Polizist/Postmann Gus (Colin Hanks) kennen lernt. – Anders als Marge muss sich Molly bei den Ermittlungen gegen ihren Chef durchsetzen, ist sie doch die einzige, die nicht an Lesters Unschuld glaubt. Aber sie lässt sich nicht beirren. So viel zur Haupthandlung.

Die Serie ist durchsetzt mit allerhand Nebenschauplätzen – und das ist auch ihre große Schwäche. Das Verbrechersyndikat in Fargo, die biblischen Plagen für den Supermarkt-König (Oliver Platt), die Zahnarzt-Tarnung von Malvo, selbst die Liebelei mit Gus – nette Ideen, aber sie lenken ab, verwirren, durchbrechen die Spannung und sorgen für einige Längen. Hier wäre weniger mehr gewesen. Man hätte die Handlung durchaus um einige Folgen kürzen können, dem Spannungsaufbau hätte es gut getan. Was der Serie vor allem fehlt, ist der bitterböse Humor der Coen-Brüder, ihr Gespür für skurrile Dialoge, für das Wesen der Menschen von Minnesota, für schräge Charaktere (in welcher Hinsicht? Schräge eben). Das ist es, was den Film zu einem Vergnügen für jeden Kinoenthusiasten, zu einen Juwel mit Kultcharakter macht. Die Serie ist in weiten Teilen spannend und sehenswert, hat mit Freeman und Thornton zwei echte Hochkaräter und erinnert vom Setting her stark an die filmische Vorlage. Dennoch wirkt sie wie ein Aufguss. Oberflächlich stark, im Nachgeschmack aber schal und leider x-beliebig.

Dem Erfolg tat es keinen Abbruch, Staffel 2 (mit Kirsten Dunst, Ted Danson und Patrick Wilson) ist längst abgedreht und auf diversen Streaming-Anbietern zu sehen, Staffel 3 ist in Vorbereitung. Was hat euch besser gefallen: Film oder Serie? Und was viel wichtiger ist: Lohnt sich Staffel 2. Schreibt mir, was ihr denkt.

Fargo – Blutiger Schnee (USA, GB 1996)
98 Minuten
Darsteller: Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi, Harve Presnell, Peter Stormare, John Carroll Lynch, Bruce Campbell, Kristin Rudrüd
Regie: Joel Coen
Drehbuch/Schnitt: Joel und Ethan Coen,
Produktion: Ethan Coen
Kamera: Roger Deakins
Musik: Carter Burwell

Fargo – Staffel 1, 2014 (USA)
10 Folgen
Darsteller: Martin Freeman, Billy Bob Thornton, Allison Tolman, Colin Hanks, Bob Odenkirk, Keith Carradine, Kate Welsh, Russell Harvard, Adam Goldberg, Oliver Platt
Idee: Noah Hawley
Musik: Jeff Russo
Produktion: Kim Todd, Chad Oakes, Michael Frislev

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EX MACHINA – Wenn sich die Kreatur gegen ihren Schöpfer wendet

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„Ex Machina“ mit Alicia Vikander, Domhnall Gleeson und Oscar Isaac.

Sie sind unter uns: Roboter mit künstlicher Intelligenz. Sie geben sich als Menschen aus, sind kaum von ihnen zu unterscheiden. Und Schuld hat Domhnall Gleeson. In „Ex Machina“ (2015) geht er einem solchen Roboter auf den Leim. Mit weitreichenden Folgen.

Programmierer Caleb (Gleeson) kann sein Glück kaum fassen. Dank eines firmeninternen Gewinnspiels darf er seinen Boss Nathan (Oscar Isaac), den Entwickler der weltweit größten Internetsuchmaschine, treffen. Der lebt abgeschottet von der Zivilisation in einem Bunker. Die Einöde hat einen Grund. In seiner unterirdischen Festung spielt Nathan Gott, tüftelt heimlich an der Erschaffung künstlicher Intelligenz. Seine neueste Kreation ist Ava (Alicia Vikander). Ist ihr künstlicher Geist dem des Menschen ebenbürtig? Caleb soll es in einem einwöchigen Test herausfinden.

Schon beim ersten Treffen wickelt Ava den naiven Computer-Nerd um den mechanischen Finger. Caleb verfällt dem Frauboter, ist schnell von der Menschlichkeit der Maschine überzeugt, will ihr sogar zur Flucht verhelfen. Aber ist wirklich Ava das Testobjekt? Oder ist er es selbst, der in die Falle getappt ist?

Was muss im Leben eines Mannes falsch gelaufen sein, damit er sich Hals über Kopf in eine Roboterfrau verliebt – selbst wenn sie noch so rehäugig ausschaut? Emotionale Defizite? Extreme Einsamkeit?  – Das wird in „Ex Machina“ nicht beantwortet. Das Regie-Debüt von Drehbuchautor Alex Garland („The Beach“, „Sunshine“, „Alles, was wir geben mussten“) kommt als hippes Kammerspiel daher – mit kühlen durchgestylten Bildern und New-Age-Geklimper. Thematisch bedient sich Garland offensichtlich bei E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ und Mary Shelleys „Frankenstein“: der Mann, der sich in eine Automaten-Frau verliebt, und die Kreatur, die sich gegen ihren Schöpfer wendet. Garlands Leitmotiv ist jedoch die Frage nach der Menschlichkeit und deren Folgen. Was macht einen Menschen aus? Es ist nicht die Fähigkeit, bei anderen Empathie zu erzeugen – so wie Ava es vermag. Vielmehr ist es die Gabe, Empathie zu empfinden – sogar für Maschinen. Calebs Menschlichkeit ist gleichzeitig seine Schwäche. Am Ende wird sie ihm zum Verhängnis. Was sagt das über die Gesellschaft von heute aus?

Alex Garlands Sci-Fi-Thriller avancierte vom Geheimtipp zum oscarprämierten Filmhit (Academy Award für die besten Spezialeffekte). Dabei ist Thriller wahrscheinlich die falsche Genrebezeichnung. Über weite Teile ist Garlands Erzählweise unaufgeregt – wenn auch auf beklemmende Art. So wie der Spannungsbogen, den der Regisseur aufbaut, und dem man sich als Zuschauer bald nicht mehr entziehen kann. Hauptfigur Caleb hat sich in einem Spinnennetz verfangen, ohne es zu bemerken. Sein Schicksal ist in dem Moment besiegelt, in dem er den Bunker betritt. Die Spinne nähert sich leise, bedient sich der Täuschung. Verstörend ist das Finale, wenn das scheinbar zarte Roboterwesen zusticht, kalt und ohne Skrupel – wie eine Maschine eben oder wie eine Spinne auf Beutezug.

Ex Machina (GB, 2015), 108 Minuten
Darsteller: Alicia Vikander, Domhnall Gleeson, Oscar Isaac, Sonoya Mizuno
Regie, Drehbuch: Alex Garland
Kamera: Rob Hardy,
Schnitt: Mark Day
Musik: Geoff Barrow, Ben Salisbury
Produktion: Andrew MacDonald, Allon Reich

Spannend oder langatmig – was haltet ihr von „Ex Machina“? Hättet ihr euch von Alicia

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