FRANTZ – Von der Sehnsucht nach Vergebung

Mit „Frantz“ hat Regisseur Francois Ozon Neuland betreten. Nie zuvor hat sich der französische Filmemacher dem Thema Erster Weltkrieg gewidmet. Erstmals hat er außerhalb seines Heimatlandes gedreht, hat er Kriegs- und Kampfszenen gefilmt. Für Ozon eine große Herausforderung, wie er selbst sagt. Auch dem Zuschauer verlangt er bei „Frantz“, seinem inzwischen 16. Spielfilm, einiges ab: Szenen in deutscher und in französischer Sprache, der Wechsel von Farbe zu Schwarzweiß, die entschleunigte Erzählweise. Das ist anders und ungewohnt. Aber genau das und dazu das sensible Spiel der Hauptdarsteller machen „Frantz“ zu einem der sehenswertesten und eindrucksvollsten Filme der letzten Jahre.

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Anna (Paula Beer) erzählt Adrien (Pierre Niney) von Frantz. Foto: X Verleih

Zur Handlung: Anna (Paula Beer) trauert um ihren Verlobten. Frantz (Anton von Lucke) war Soldat, ist im Ersten Weltkrieg gefallen. Jeden Tag legt sie Blumen auf sein Grab. Der Weg durch die Straßen des Harzstädtchens hin zum Friedhof ist für Anna zur Routine geworden. Eine Routine, die dem aus den Fugen geratenen Leben der jungen Deutschen einen Rahmen bietet – die ihr selbst Halt gibt. Diese Routine wird eines Tages durch einen Unbekannten (Pierre Niney) durchbrochen. Anna beobachtet, wie er an Frantz‘ Grab trauert.

Schuld und Sühne

Kurz darauf nimmt der Franzose Kontakt zu Frantz‘ Eltern (Ernst Stötzner, Marie Gruber) auf. Er sei ein Freund von Frantz gewesen, habe ihn vor dem Krieg bei einem Aufenthalt in Paris kennen gelernt. Mit dem Tod des Freundes habe auch er einen Verlust erfahren, sagt er. Vor allem der Vater sträubt sich zuerst dagegen, Adrien Gehör zu schenken. So kurz nach dem Krieg, nach der Niederlage der Deutschen sieht er in jedem Franzosen einen Feind. Schließlich könnte jeder von ihnen der Mörder seines Sohnes sein. Doch war er es nicht selbst, der Frantz gedrängt hat, zur Waffe zu greifen, in die Schlacht zu ziehen und andere Söhne zu töten? Hat er sich dadurch nicht selbst schuldig gemacht?

Schuld und Vergebung sind die großen Themen von „Frantz“. Hat nicht jeder während des Krieges Schuld auf sich geladen? Und sehnt sich später nicht jeder nach Vergebung? Danach, dass ihm andere vergeben. Und danach, irgendwann sich selbst vergeben zu können. Auch Adrien möchte das. Auf Wunsch der Familie erzählt er von seiner Freundschaft zu Frantz, spielt sogar auf der Geige des Verstorbenen, nimmt für kurze Zeit dessen Platz ein. „Haben Sie keine Angst, uns glücklich zu machen“, sagt Frantz‘ Mutter zu ihm. So ist es an Adrien, Trost zu spenden und den Trauernden Momente des Glücks zu bescheren.  Anna entgeht dabei nicht, dass auch Adrien vom Krieg gezeichnet ist. „Meine größte Narbe ist Frantz“, gibt er zu. Adrien hat mit seinem eigenen Trauma zu kämpfen. Und mit einem Geheimnis, das ihn quält. Denn er hat Frantz‘ Familie belogen.

Authentisch

Francois Ozon erzählt die Geschichte in nüchternen, fast bedrückenden Schwarzweiß-Bildern. Nur wenn Hoffnung aufkeimt, kommt Farbe ins Spiel. Für den Zuschauer ist der Sprung von Farbe zu farblos nicht immer nachvollziehbar. Aber um Logik geht es Ozon nicht. Wie die Venen im Körper werden die Schwarzweiß-Einstellungen des Filmes von der Farbe durchblutet, erläutert der Regisseur. Der Effekt: Der bewusste Verzicht auf Farbe lässt die Bilder authentisch wirken. Kennen wir den Ersten Weltkrieg nicht eigentlich nur von Schwarzweiß-Aufnahmen, von alten Fotos? Selbst die Emotionen der Protagonisten haben etwas Dokumentarisches und dadurch höchst Glaubwürdiges – wenn plötzlich der Hauch eines Lächelns über das Gesicht des verbitterten Vaters huscht, wenn Anna gegen ihre aufflammenden Gefühle ankämpft. Im Gegensatz dazu der Einsatz von Farbe in der letzten Szene des Films, wenn Annas Lust am Leben mit aller Macht zurück kehrt.

„Frantz“ ist ein Film über die Folgen des Ersten Weltkrieges in Deutschland und Frankreich. Über Trauer und Wut auf beiden Seiten, über Schuld und Sühne – und über den Wunsch der Menschen, weiter leben und wieder lieben zu können. Zutiefst berührend und lange nachwirkend.

„Frantz“, Frankreich, Deutschland 2016
113 Minuten
Darsteller: Paula Beer, Pierre Niney, Ernst Stötzner, Marie Gruber, Johann von Bülow, Anton von Lucke, Cyrielle Clair, Alice de Lencquesaing
Regie: Francois Ozon
Drehbuch Francois Ozon (frei nach „Broken Lullaby“ von Ernst Lubitsch (1931)
Kamera: Pascal Marti
Musik: Philippe Rombi
Schnitt: Laure Gardette
Produzenten: Stefan Arndt, Uwe Schott, Eric und Nicolas Altmayer

Wie seht ihr das? Fehlt euch etwas, wenn ein Film in Schwarzweiß gedreht ist?

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3 Gedanken zu “FRANTZ – Von der Sehnsucht nach Vergebung

  1. Ich weiß noch nicht so ganz, ob mir der Farbwechsel etwas gegeben hat, aber die Aufnahmen insgesamt waren sehr schön. Vielmehr brüte ich innerlich noch über die Geschichte an sich.Aber ich gebe dir Recht, dass alles sehr zeitversetzt gewirkt hat. Mir hat übrigens die langsame Erzählung sehr gut gefallen. Hatte nach langer Zeit mal wieder das Gefühl, eine richtige Geschichte erzählt zu bekommen.

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  2. Pingback: Donnerstag, den 13. Oktober 2016 | Kulturnews

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