Wer hat hier wahren Schneid? – TRUE GRIT

Er ist stets verkatert, nimmt es mit dem Gesetz nicht so ganz genau, ist aber dennoch der beste Spürhund im Wilden Westen – wenn es darum geht, sich fiesen Ganoven an die Fersen zu heften. 1969 schlüpfte John Wayne in die Rolle des Rooster Cogburn. Für seinen Auftritt in „True Grit“ (deutscher Titel „Der Marshal“) heimste der alte Haudegen Kritikerlob und sogar einen Oscar ein. So viel dazu.

Gut 40 Jahre später nahmen sich Joel und Ethan Coen den Stoff vor. Sie selbst hatten mit ihrem Neo-Western „No Country for Old Men“ (2007) das Genre neu belebt und wollten mit „True Grit“ einen drauf setzen.  Aber wer sollte Rooster Cogburn spielen? Die Wahl fiel auf Jeff Bridges, einen alten Bekannten der Coen-Brüder („The Big Lebowski“). Wenn man der Legende glaubt, lautete seine erste Regieanweisung: „Vergiss John Wayne.“ Die Coens wollten etwas Eigenes, etwas Neues schaffen – kein Remake, sondern eine eigenständige Interpretation der Romanvorlage von Charles Portis. Der „Dude“ vergaß den „Duke“. Und ich werde es ihm bei meiner Rezension gleich tun.

Zur Handlung: Rooster Cogburn staunt nicht schlecht, als die 14-jährige Mattie (Hailee Steinfeld) vor ihm steht. Die vorlaute Göre will ihn – den Marshal – dafür bezahlen, dass er einen gewissen Tom Chaney (Josh Brolin) aufspürt. Chaney habe ihren Vater ermordet und sie wolle sich rächen. Warum sie ausgerechnet auf ihn komme, will der alte Suffkopp wissen. Weil er „wahren Schneid“ (true grit) besitze, habe sie gehört. Nach einigem Zögern sagt Cogburn zu. Zu dem ungleichen Duo gesellt sich der Texas Ranger La Boeuf (Matt Damon) – hauptsächlich, weil er hinter dem Lösegeld für Chaney her ist.

Bei dem Ritt durch die Wildnis zeigt sich sehr schnell, dass es eigentlich Mattie ist, die sich durch wahren Schneid auszeichnet. Zwar wirkt die 14-Jährige mit ihren Zöpfen sehr mädchenhaft, macht dies aber mit Unerschrockenheit und keckem Mundwerk mehr als wett. Wer sie unterschätzt, ist selber schuld. Das bekommt später auch Tom Chaney zu spüren.

15.000 Mädchen sollen sich für die Rolle der Mattie beworben haben. Man entschied sich schließlich für Hailee Steinfeld. Ein Glücksgriff, den die 13-jährige spielt sowohl Bridges als auch Damon an die Wand. Vor allem Matt Damon schwächelt als selbstverliebter Texas Ranger. Über sein Vermögen, den texanischen Dialekt nachzuahmen, kann ich mir kein Urteil erlauben. In der synchronisierten Variante versagt LeBoeuf, erinnert er doch eher Forrest Gump als an einen Texaner. Jeff Bridges agiert zwar überzeugend und souverän als trinkender Rooster Cogburn. Jedoch kopiert er im Grunde nur seinen Auftritt als Bad Blake, den er ein Jahr zuvor in „Crazy Heart“ verkörperte – und das sowohl optisch als auch schauspielerisch. Wer „Crazy Heart“ nicht kennt, wird sich daran nicht stören.

Der Film selbst ist zwar staubtrocken und für die Coen-Brüder ungewohnt unlustig inszeniert. Dennoch macht es Spaß, den Film anzuschauen. Schießereien, Saloons, Verfolgungsjagden und richtig kernige Helden – „True Grit“ ist für mich einer der Gründe, warum ich mich heute wieder für Western begeistere.  Und damit stehe ich nicht allein. Der Film kam nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch bei den Kritikern an. Bei der Oscar-Verleihung 2011 räumte „True Grit“ ab – zumindest was die Nominierungen betraf. Obwohl zehnmal nominiert, scheiterte der Film aber letztlich in allen Kategorien.

Woran es gelegen hat? Wer weiß. Vielleicht war das Filmende schuld, das ich als enttäuschend empfand. Als Erwachsene begibt sich Mattie Jahre später auf die Suche nach Rooster Cogburn. Nichts erinnert mehr an die vorlaute Göre. Mattie (dargestellt von Elisabeth Marvel) hat nicht nur ihren Unterarm und ihren Jugendlichkeit eingebüst, sondern auch ihren Schneid. Die letzten Minuten wirken deshalb frustierend, nehmen dem ganzen Film seinen Schwung. Vielleicht haben es die Coen-Brüder genauso gewollt. Ich als Zuschauer aber fühlte mich verschaukelt.

„True Grit“ (USA 2010)
Darsteller: Jeff Bridges, Matt Damon, Hailee Steinfeld, Josh Brolin, Barry Pepper, Domhnall Gleeson, Elisabeth Marvel
Regie: Ethan und Joel Coen
Drehbuch: Ethan und Joel Coen
Produktion: Ethan und Joel Coen, Scott Rudin, Megan Ellison
Kamera: Roger Deakins
Musik: Carter Burwell
Schnitt: Ethan und Joel Coen als Roderick Jaynes

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