Der Schütze hockt auf dem Dach eines Gebäudes. Konzentriert schaut er durch das Visier seines Gewehrs. Eine verschleierte Frau und ein Junge verlassen das Haus gegenüber. Die Frau holt einen Gegenstand unter ihrem Gewand hervor, gibt ihn dem Jungen: Es ist eine Sprengkapsel. Der Scharfschütze auf dem Dach verfolgt die Szene. Er ist der einzige, der die Bombe gesehen hat, nur er hat den Überblick. Er allein kann die Gefahr abschätzen. Schießen oder nicht? Er muss sich entscheiden. Der Junge läuft los, der Schütze schießt, trifft zuerst das Kind, dann die Frau.
Zwei Schüsse, die Chris Kyle zur Legende, zum Helden des Irak-Kriegs, zum American Sniper machen. Eine wahre Geschichte, aufgeschrieben von Chris Kyle höchstpersönlich und schließlich von Hollywood verfilmt.
„American Sniper“(2014) porträtiert den Texaner Chris Kyle, zeigt wie der junge Rodeoreiter dem Militär beitritt und bei den Navy Seals zum Scharfschützen ausgebildet wird. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und seiner Hochzeit, muss er in den Irak ausrücken. Drei weitere Einsätze und insgesamt 160 tödliche Schüsse folgen. Zwischen seinen Einsätzen versucht Kyle mit Frau und Kindern ein normales Familienleben zu führen. Doch die Erinnerungen an den Krieg verfolgen ihn. Er hat Kameraden verloren, hat dem Tod mehr als einmal ins Auge gesehen, und auch das Töten selbst scheint nicht spurlos an ihm vorbeizugehen. Die ständige Anspannung lässt ihn nicht los. Er leidet wie viele andere Soldaten an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Nicht nur er, sondern auch seine Familie droht daran zu zerbrechen. Doch Chris Kyle schafft den Absprung. Später findet er in der Betreuung zurückgekehrter Soldaten eine neue Aufgabe. Das Ende ist tragisch, Kyle wird erschossen – ausgerechnet von einem traumatisierten Kriegsveteranen.
Oscar-Favorit geht baden
„American Sniper“ von Clint Eastwood ging 2015 als großer Favorit ins Oscar-Rennen. Sechs Nominierungen – darunter bester Film, bester Hauptdarsteller (Bradley Cooper) und bestes adaptiertes Drehbuch. Aber letztlich gab es nur einen Trostpreis – den Oscar für den besten Tonschnitt. Enttäuschend für Bradley Cooper und Clint Eastwood, die beide auch als Produzenten fungierten.
Dabei ist vor allem Coopers Leistung tadellos. Für seine Verwandlung in Chris Kyle hatte der „Hangover“-Mime ordentlich an Muskelmasse zugelegt, nahm angeblich 6000 Kalorien pro Tag zu sich und stemmte täglich drei Stunden Gewichte. Darüber hinaus sah er sich unzählige Videos von Chris Kyle an, verbrachte Zeit mit seiner Familie, besuchte sein Haus und saß sogar auf seinem Stuhl. Die intensive Vorbereitung half ihm dabei, sich in die Rolle hineinzufinden. Mit Erfolg. Es sind vor allem die leisen Momente des Films, in denen Bradley Cooper zu überzeugen weiß. Die Nahaufnahmen – wenn er mit seinem Gewehr im Anschlag auf dem Dach sitzt. Wenn man nur sein Auge und einen Teil seines Gesichts sieht. Wenn die Konzentration dem Zweifel und schließlich der Verzweiflung weicht.
Kontroverse
Eine packende Story, spannend inszeniert, gut gespielt und das Ende so dramatisch, wie es nicht einmal Hollywood schreiben kann. Eine oscarwürdiger Film. Doch es kam anders. „American Sniper“ löste eine Kontroverse aus. Der Film gehe nicht differenziert genug mit der jüngeren amerikanischen Geschichte um, würde den Krieg verherrlichen, warfen die Kritiker Clint Eastwood vor. Die Grenze zwischen Kriegsfilm und Antikriegsfilm sei schwammig, Eastwood sich hätte besser positionieren müssen. Der Regisseur konterte: Selbstverständlich sei sein Film ein Antikriegsfilm, zeige er doch, wie Krieg und Gewalt einem Menschen zusetzen können.
Trotz Kritik und Oscar-Schlappe konnten Clint Eastwood und Bradley Cooper am Ende wenigstens einen Rekord einfahren. „American Sniper“ gilt als erfolgreichster Kriegsfilm aller Zeiten.
„American Sniper (USA, 2014)
132 Minuten
Darsteller: Bradley Cooper, Sienna Miller, Max Charles, Luke Grimes, Kyle Gallner, Jake McDorman, Sam Jaeger
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Jason Dean Hall,
Kamera: Tom Stern
Schnitt: Joel Cox, Gary D. Roach
Produzenten: Bradley Cooper, Clint Eastwood. Andrew Lazar, Robert Lorenz, Peter Morgan
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